Freitag, 10. August 2012

The Amazing Spider-Man

"Es gibt nur eine Art von Plot, wenn man eine Geschichte erzählen will. Es dreht sich immer alles um die Frage: Wer bin ich?"
Immerhin, im neuen Spider-Man-Film wird zwischendurch auch mal gekonnt selbstreflexiv philosophiert. Knapp zehn Jahre nach dem ersten Teil von Sam Raimis Spider-Man-Trilogie, in dem Tobey Maguire den Rächer im rotblauen Ganzkörperanzug mimte, steht bereits das Remake auf der Matte. Im Marketingsprech dieser Tage nennt man das dann "Reboot".

Die Story ist schnell erzählt: Die Hauptfigur Peter Parker (Andrew Garfield) verliert als Kind seine Eltern und lebt anschließend bei seinem Onkel und seiner Tante. Die beiden kümmern sich hingebungsvoll um das Waisenkind. Einige Jahre später fängt Peter an, sich für Frauen und den Verbleib seiner Eltern zu interessieren. Auf seiner Suche wird er von einer genetisch veränderten Spinne gebissen und vom Pfeil der Liebe getroffen. Mit den frisch erhaltenen Superkräften und seiner hübschen Freundin Gwen Stacy (Emma Stone) im Schlepptau scheint sein Leben perfekt. Alles ändert sich abrupt, als sein Onkel bei einem Raubüberfall auf offener Straße erschossen wird. Peter sinnt auf Rache, erfindet sein Alter Ego Spider-Man und kämpft gegen die Geister der Vergangenheit, die sich in Form des Bösewichts Lizard manifestieren. Der Lizard AKA Dr. Connors (Rhys Ifans) ist eigentlich ein bedeutender Wissenschaftler und ehemaliger Kollege von Peters Vater. Durch ein fehlgeschlagenes, genetisches Experiment mutiert er zur grünen Riesenechse, und will die gesamte Stadt mit seinem Medikament einnebeln , um eine Armee mutierter Urviecher zu erschaffen.

Eigentlich wollte ich The Amazing Spider-Man nicht mögen. Warum startet die Serie nach so kurzer Zeit wieder neu, was soll hier anders erzählt werden und wer ist überhaupt dieser Bubi, der sich jetzt in das Kostüm zwängt? Hier soll doch nur Geld aus der Hollywood-Maschinerie gepresst werden, könnte man sich echauffieren. Das Problem: Der Bubi ist gar nicht schlecht, irgendwie sympathisch. Andrew Garfield überzeugt durch Charisma und Schauspieltalent - dass er fast dreißig ist, merkt man ihm zu keiner Sekunde an. Garfield kann die deutlich jüngere Figur des Peter Parker glaubhaft verkörpern. Emma Stone in ihrer Rolle als Gwen Stacy wird als blondes Mädel mit hohen Schuhen und knappen Röcken dargestellt, was ihr nicht gerecht wird. Sie ist zwar die Chef-Praktikantin von Dr. Connors, wird jedoch als Anhängsel von Spider-Man eingeführt und  lässt zu keiner Zeit einen Funken Durchsetzungskraft durchschimmern. Hier hat man eindeutig schauspielerisches Potential vergeudet.

Erzähltechnisch wird - die Floskel sei erlaubt - das Rad nicht neu erfunden. Der Film handelt immer noch von der ersten Liebe, vom Erwachsen werden und zwischendurch werden ein paar Bösewichter vermöbelt. Die Grundgeschichte ist die gleiche wie vor zehn Jahren, die Details haben sich jedoch ein wenig geändert: Die Stimmung ist deutlich düsterer und bedrohlicher geworden. Die Stadt erscheint nicht mehr so comichaft überzeichnet wie in den Vorgängerfilmen. Außerdem ist Peter nicht mehr der Einzelgänger, der er vor zehn Jahren noch war. Er weiht seine Freundin Gwen frühzeitig in seinen Nebenberuf als Teilzeit-Superheld ein, lässt sich sogar von ihr wieder zusammenflicken, wenn ein Kampf mit dem Lizard zu kraftraubend war. Teilweise fällt der Film jedoch zu stark ins Pathetische ab, wenn etwa die versammelte Welt der Kranführer New Yorks für den verwundeten Spider-Man Spalier steht, damit dieser sich zum finalen Kampf mit seinem Gegenspieler aufschwingen kann. Hier wäre weniger mehr gewesen, soviel Pathos hat der Film nicht nötig.

Insgesamt bin ich immer noch zwiegespalten: Das, was ich gesehen habe, überzeugt und kann durchaus fesseln. Ob der Neustart der Reihe notwendig war, kann ich trotzdem nicht ohne eine gehörige Portion Restzweifel beantworten. Für Neueinsteiger in die Spider-Man-Welt ist der Reboot auf jeden Fall empfehlenswert. Für alle anderen gibt es - trotz der nicht zu verleugnenden Eigenständigkeit des Reboots - zu wenig Neues.

THE AMAZING SPIDER-MAN von Marc Webb (R), James Vanderbilt (B), Alvin Sargent (B) und Steve Kloves (B), USA 2012, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Sony Pictures

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