Samstag, 5. Mai 2012

Gefährten (War Horse)


Eigentlich habe ich keine Ahnung von Pferdefilmen. Ich denke höchstens an Black Beauty und Der Pferdeflüsterer - außerdem kommt mir auch immer wieder die Wendy in den Sinn. Black Beauty und Der Pferdeflüsterer habe ich nie gesehen und die Wendy nie gelesen, einen Pferdeexperten würde ich mich demnach nicht nennen.

Trotzdem habe ich mir Gefährten angeschaut, indem es um den Farmersjungen Albert (Jeremy Irvine) geht, dessen Vater (Peter Mullan) im Alkoholrausch ein viel zu teures und zur Landarbeit ungeeignetes Rassepferd ersteigert hat. Albert und das Halbblut freunden sich an, retten nebenbei fast die vor dem finanziellen Ruin stehende Farm seines Vaters und alles könnte im happy ever after enden, wenn nicht zufällig der Erste Weltkrieg ausbrechen würde. Um die Farm in der englischen Grafschaft Devon entgültig zu retten, verkauft der Vater das Pferd an die englische Armee; fortan sind Albert und Joey also getrennt. Joey ist zuerst in den Händen der englischen, danach der deutschen Armee, gefolgt von einem kurzen Intermezzo auf dem Hof eines französischen Bauern, um anschließend als Lastpferd den Franzosen zu dienen und sich letztlich im Niemandsland zwischen den Schützengräben englischer und deutscher Soldaten wiederzufinden. Klingt verwirrend und sprunghaft, wird jedoch im Verlauf des Films logisch nachvollziehbar erzählt und natürlich haben sich die Freunde Albert und Joey nach einer Odysee durch die Kriegswirren Europas am Ende wieder.

Regisseur Steven Spielberg verfilmte Gefährten auf Grundlage des Jugendromans War Horse von Michael Morpurgo und schafft es die verschiedenen europäischen Schauplätze allesamt visuell beeindruckend in Szene zu setzen. Manch einer wird sagen, dass diese Art visueller Zuckerguss etwas zuviel des Guten ist, aber mir persönlich haben sowohl die beeindruckenden englischen Landschaften als auch die von Spielberg schauerlich anmutig in Szene gesetzten Kriegsschauplätze in Frankreich gefallen. Gleichzeitig erzeugt Spielberg mit Joey eine starke Identifikationsfigur, so wird auch der Erste Weltkrieg zu einem Großteil aus der Sicht des Pferdes dargestellt. Zum Glück verzichtet er darauf, das Pferd selbst sprechen zu lassen, und erschafft durch gutes Zusammenspiel von Tier und menschlichen Charakteren sowie geschickter Kameradramaturgie eine packende Geschichte.

Die gelungenste und gleichzeitig bizarrste Szene des Films zeigt Joey gefesselt im Stacheldraht zwischen deutschen und englischen Schützengräben. Für einen kurzen Moment ruht deswegen sogar der Krieg und ein deutscher und ein englischer Soldat versuchen gemeinsam, das Pferd aus dem tödlichen Stacheldraht zu befreien: Das Pferd als Fremdkörper, als E.T.-ähnliche Figur, die dem Geschehen auf der Erde entrückt die Dinge mit anderen Augen betrachtet und Menschen verbindet. Man könnte es - positiv gesprochen - als typischen Spielberg-Moment charakterisieren, indem Freundschaft das zentrale Element darstellt.

Es muss nochmals ganz deutlich gesagt werden: Gefährten ist ein durch und durch kitschiger Film. Er ist meisterhaft und mit der ganzen Raffinesse und Erfahrung von Steven Spielberg inszeniert, aber am Ende wird hier eine märchenähnliche Geschichte mit viel Sentimentalität und Emotionen erzählt. Am deutlichsten wird dies, als am Ende des Films Vater und Sohn in einen Sonnenuntergang schauen, der in ein solch strahlend überzuckertes Rot getunkt ist, wie es die Filmwelt in der schönsten Rosamunde-Pilcher-Verfilmung noch nicht gesehen hat. Trotzdem hat mich der Film überzeugt, ich habe ihm seine Überlänge nicht angemerkt und war über zwei Stunden aufmerksamer Zuschauer. Also nennt mich kitschig, aber mir hat's gefallen - auch wenn ich kein Pferdefilmkenner bin.

GEFÄHRTEN bzw. WAR HORSE von Steven Spielberg (R), Lee Hall (B) und Richard Curtis (B), USA 2011, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Walt Disney/DreamWorks

3 Kommentare:

  1. Also wird dein nächster Film "Der Pferdeflüsterer" sein? :-P Inszeniert Spielberg den Krieg mit brutalem Hyperrealismus wie in "Saving Private Ryan"? Am ehesten wird mein Interesse am Film geweckt, weil du das Pferd als starke Identifikationsfigur wahrgenommen hast. Das will ich doch fast mit eigenen Augen sehen. Fast :-).

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  2. Mal sehen :) Nein, der Krieg wird nicht Hyperreal sondern meiner Meinung nach familientauglich aber nicht minder spannend inszeniert. Detaillierte Gewaltdarstellung wird hier nicht gezeigt sondern meistens durch clevere Schnitte im Kopf erzeugt. Ich bin kein Pferdefilmfan aber das Pferd wird wirklich geschickt eingesetzt und wenn CGI benutzt wird dann sehr dezent und unaufällig.

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  3. Ich bin hin- und hergerissen von diesem Film. Einerseits war er natürlich völlig übertrieben und unrealistisch, andererseits total schön, traurig, eben gefühlsvoll, wenn man sich drauf einlässt. Man muss halt bereit sein sich auf diesen Film einlassen zu können, zu akzeptieren, dass hier nicht so viel Genauigkeit und Realismus auf den Ersten Weltkrieg liegt, sondern es um ein Pferd geht, dass auf seiner Reise mehrere Gefährten hat, dann ist der Film echt der absolute Hammer.

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