Samstag, 9. Juni 2012

The Bird People in China (Existentialism Air)


Ein japanischer Büroangestellter (Masahiro Motoki) muss kurzfristig nach China reisen, um dort ein Edelsteinvorkommen zu beurteilen. Die kleine Expedition wird trotz Führer (Makoto "Mako" Iwamatsu) zur Odyssee, auch weil ihn bald ein Yakuza (Renji Ishibashi) begleitet und ihm auf die Finger guckt...

Ein Geschäftsmann mit da Vinci'eskem Fluggerät stellt das Titelmotiv des Films dar, welches einiges vorwegzunehmen scheint. Bei Regisseur Takashi Miike sollte man jedoch immer alles erwarten, blutrünstige Vogelmenschen im Reich der Mitte wären also nicht ausgeschlossen. Für Miike-Kenner ist dieser vermeintliche Wissensvorsprung ein Quell der Spannung, weil man sich stets fragt, zu welchen obskuren Wendungen es vielleicht kommen mag (Miike dreht von Psychohorror wie Audition bis Kinderfilme beinahe alles). Kennt man den Regisseur jedoch nicht, fällt dieser Aspekt natürlich weg und die ausführlich geschilderte Irrfahrt könnte etwas langatmig wirken. Dabei steht Japan für die moderne Effizienzgesellschaft, während das chinesische Hinterland wie der Wilde Westen wirkt - "unzivilisiert", geheimnisvoll, gefährlich? Die japanischen Protagonisten, besonders der aufbrausende Yakuza, geraten schnell an den Rand der Verzweiflung, als die Straßen und Fortbewegungsmittel zunehmend archaischer werden. Ihr heimischer Ortskundiger ist die Mühen der Reise gewohnt und hadert eher mit der Hysterie seiner Schutzbefohlenen. Wenn sich die Gruppe schließlich durch regenverhangene Gebirgswälder schlägt, erinnert dies gar an Aguirre, der Zorn Gottes. The Bird People in China ist jedoch kein Wahnsinnstrip ins Herz der Finsternis, vielmehr verlässt sich der Film eingangs auf Situationskomik.

Ungefähr zur Halbzeit wird dann das Ziel erreicht: Ein kleines Bergdorf, wie aus der Zeit gefallen, in dessen Umland Jade zu finden ist. Eine junge Frau unterrichtet die Kinder im Trockenflug und setzt so die Arbeit ihres toten Großvaters fort - aber mehr um dessen Andenkens Willen, denn wirklich geflogen ist noch niemand. Der Film ändert mit Betreten der Siedlung den Tonfall, wird fast zu einem unaufgeregten Krimi, als die Hauptfiguren die Identität des Großvaters und die Herkunft der Flugschule zu ergründen suchen. Darüber bekommen sie Gewissensbisse, ob sie diese malerische und naturverbundene Enklave der modernen Zivilisation aussetzen sollen, indem sie den Jadeabbau und damit auch den Fortschritt in die Wege leiten. Ausgewogen und leichtfüßig wird diese Frage von The Bird People in China diskutiert, es geht ebenso um Glück, Weltbilder und Lebensentwürfe, um Liebe, Aufrichtigkeit und Folgsamkeit (im asiatischen Raum bekanntlich von großem Stellenwert). Und auch die Völkerverständigung von China und Japan lässt Miike anklingen. Große Fragen, die undramatisch mit dem Glauben an gute Kompromisse beantwortet werden. Das versöhnliche Ende einer Reise mit Fragen, von denen man nicht erwartete, sie sich überhaupt zu stellen. Schön!

THE BIRD PEOPLE IN CHINA von Takashi Miike (R) und Masa Nakamura (B), Japan 1998, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Ascot Elite

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