Dienstag, 29. Januar 2013

Flight


What a night! Was für andere eine durchzechte Nacht wäre, scheint für Whip Whitaker (großartig: Denzel Washington) Routine zu sein: In der einen Hand eine Zigarette, neben sich eine junge Dame, die gerade in ihren Schlüpfer steigt, und am Telefon erkundigt sich seine Exfrau, wo denn die aktuelle Unterhaltszahlug bliebe. Kurz noch eine Nase Koks gezogen und drei kleine Wodkafläschen geleert, bevor der amerikanische Inlandsflug aus Orlando losgeht. Whip Whitaker ist der Pilot.

Die eingeübte Routine aus Drogen, Alkohol und Frauen gerät aus der der Balance, als sich das Höhenleitruder seines Flugzeuges verabschiedet. Mit einem waghalsigen Manöver gelingt es Whitaker, die Maschine im Gleitflug auf einem freien Feld zu landen und dem Großteil der Passagiere und Crewmitglieder das Leben zu retten. Für seine außergewöhnliche Leistung wird Whip, der das Unglück leicht verletzt überlebt hat, zunächst als Held gefeiert. Doch die Verehrung schlägt um, als der toxikologische Bericht offenbart, dass er während des Fluges mehrere Promille Alkohol im Blut hatte.

Nach der spektakulär inszenierten Absturzszene ändert sich die Tonalität des Filmes zusehends vom mitreißenden Katastrophenfilm zu einem psychologisch komplexen Drama. Dazu passt, das Flight im Englischen sowohl Flug als auch Flucht bedeuten kann, denn Whip flieht stets vor den Konsequenzen seiner Handlungen. Im Krankenhaus lernt er die drogenabhängige Nicole (Kelly Reilly) kennen. Im Laufe des Filmes werden sie ein Paar, mehr noch, zu einer Schicksalsgemeinschaft. Beide sind abhängig von Rauschmitteln, doch während sie unbedingt davon loskommen will, sieht Whip die Notwendigkeit dafür nicht: In einer Rekonstruktion des Unfalls wurde ermittelt, dass alle zehn an dem Versuch beteiligten Piloten mit dem Flugzeug abgestürzt und somit jeder Mensch an Bord gestorben wäre. So kann sich Whip einreden, dass seine Sucht nicht die Ursache für den Absturz war. Vielleicht denkt er sogar, dass sie ihm zu übermenschlichen Taten verhilft.

Regisseur Robert Zemeckis stellt den Zuschauer bis zuletzt vor die Entscheidung, wie er zu dem Menschen steht, der zwar fast hundert Menschen vor dem sicheren Tod bewahrte, gleichzeitig jedoch verantwortungslos mit deren Leben gespielt hat. Der in der Folge weiterhin verantwortungslos bleibt und sich seiner Sucht hingibt. Die Bewertung seiner Handlungen bleibt lange Zeit offen und hierin liegt eine der großen dramaturgischen Stärken des sonst überschaubar ambitionierten Plots. Ist Whip eine verdammt coole Sau, die zugekokst noch lässig ein Flugzeug fliegt, oder muss man ihn nach rechtlichen Maßstäben beurteilen? Dann wäre er ein Krimineller. Sollte sein Verhalten vom Ergebnis oder vom Grundsatz her beurteilt werden? Am Ende des Films findet Zemeckis für diesen spannenden Konflikt eine allzu moralische Lösung. Dennoch ist Flight auch aufgrund des stark aufspielenden Ensembles um Denzel Washington einen Kinobesuch wert.

FLIGHT von Robert Zemeckis (R) und John Gatins (B), USA 2012, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © StudioCanal

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